Archäologische Ausgrabungen auf dem Tempelhofer Feld

Mitten in Berlin

Das Tempelhofer Flugfeld bietet mit seiner riesigen Grünfläche und den Möglichkeiten für Sport und Gärtnern mitten in Berlin einen Ort des Abstands vom hektischen Alltag. Eine ganz andere Seite Tempelhofs ist seine Vergangenheit. Mit dem KZ Columbia befand sich hier ein berüchtigter Folterort aus den frühen NS-Jahren. Nach Abriss des KZ-Gebäudes wurde das Tempelhofer Feld zu einem Militärflughafen mit Rüstungsindustrie und großen Zwangsarbeitslagern. Über die Zustände in diesen Lagern ist wenig bekannt. Doch eine sich entwickelnde Archäologie der Moderne kann bislang unbekannte Facetten aus Berlins neuerer Geschichte wieder ans Licht bringen.

Im Sommer 2012 bekam die Freie Universität vom Landesdenkmalamt Berlin den Auftrag, auf dem Tempelhofer Feld Ausgrabungen im Bereich dreier Zwangsarbeitslager aus den Jahren des Nazi-Regimes durchzuführen. Zur Zeit der Ausgrabungen sahen Senatsplanungen Bodeneingriffe für Gartenanlagen und spätere Bebauung vor, die die noch im Boden befindlichen Reste zerstört hätten. Die Ausgrabungen konnten mit finanzieller Unterstützung der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und der Mitarbeit vieler Student:innen bis zum Entscheid gegen die Bebauung des Feldes im Mai 2014 fortgeführt werden.

In den Grabungsflächen wurden in Teilbereichen der ehemaligen Lager insgesamt 26 Grabungsschnitte geöffnet. Dabei kamen Spuren von zehn Baracken, drei Luftschutzgräben und zwei Feuerlöschteichen aus dem Zweiten Weltkrieg zutage. Zudem konnten spärliche Baureste des KZ Columbia und des im Krieg zerstörten alten Flughafengebäudes dokumentiert werden. Über 90.000 Objekte wurden geborgen und inventarisiert, die vom rostigen Nagel bis zum Bauteil von Luftschutzgräben reichen. Diese Funde sind Bestandteil einer Erinnerungskultur, die sich zunehmend mit den materiellen Resten der Vergan¬genheit beschäftigt.

Leitungsgraben (Vordergrund) und Holzpflockraster der Barackenunterkonstruktion (Hintergrund)
Reste eines Splitterschutzgrabens am Richthofenlager

Projektvorstellung

Noch immer prägt der ehemalige Flughafen das Erscheinungsbild des Feldes. Aber auch die weniger bekannte Vergangenheit ist nicht spurlos verschwunden. Nur knapp unter der Rasenfläche liegen ihre Relikte verborgen. Schichten voller Geschichte. Die Archäologie bietet die Chance, insbesondere die Ungerechtigkeiten weiter zu erforschen, denen Menschen hier während der Nazizeit ausgesetzt waren, indem die materiellen Hinterlassenschaften aufgedeckt werden. Sie erinnern an das Leid der Menschen, die hier zur Arbeit fern von ihrem Lebensumfeld gezwungen worden waren.

Ein Ziel der archäologischen Ausgrabungen und der anschließenden Aufarbeitung war es daher offenzulegen, was nicht in den Berichten und Schriften der Täter:innen dokumentiert ist. Zudem können archäologische Untersuchungen helfen, auf Luftbildern sichtbare Strukturen zu interpretieren. Nicht zuletzt sollten methodische Erkenntnisse, unter anderem zur Bearbeitung von Massenfunden wie etwa Baumaterialien, gewonnen werden, die auch in späteren archäologischen Untersuchungen Anwendung finden können.

Vom Sommer 2012 bis zum Mai 2014 wurden daher 26 Untersuchungsschnitte in Teilbereichen der Zwangsarbeitslager, am Alten Flughafen und dem ehemaligen Standort des KZ Columbia angelegt. 2015 wurde zudem der Einsatz des Kampfmittelräumdienstes archäologisch begleitet. Die Lage der Grabungsschnitte war anhand der zuvor gesichteten Luftbilder ausgewählt worden.

Neben einer Vielzahl von geborgenen Fundstücken vom Nagel bis zum personalisierten Kamm, vom Flugzeugmotor bis zur Steinmurmel konnten auch bisher unbekannte bauliche Details dokumentiert werden. Viele Informationen kommen in unserer Arbeit zusammen: die Funde, ihre Lage im Boden, bauliche Strukturen, Pläne und Berichte der Täter:innen, die Berichte der ehemaligen Zwangsarbeiter:innen und auch die Luftbilder der Royal Air Force. Aus dieser Vielfalt an Quellen untersuchen wir das Verbrechen der Zwangsarbeit näher, um aufzuklären über diese Vergangenheit und das Andenken an die Opfer dieser Zustände zu bewahren.

Beteiligte

Ausgrabungen und Auswertungsprojekt sind eine Kooperation zwischen der Freien Universität und dem Landesdenkmalamt Berlin.

Leitung des Gesamtprojektes:

Susan Pollock und Reinhard Bernbeck

Auswertung der Funde der Grabungen auf dem Tempelhofer Feld 2017-2021:

Leitung: Kathrin Misterek (2018-2021), Barbara Hausmair (2017)

Stellvertretende Leitung: Judith Stern

Studentische Hilfskräfte: Clara Abai, Sarah Hosseini, Ines Kachur, Antonia Naase, Anna Schimmitat, Antonia Seifert, Philipp Tollkühn

Mitarbeiter:innen der Ausgrabungen 2012-2014:

Örtliche Grabungsleitung: Jan Trenner

Grabungstechnik: Edward Collins

Erstbearbeitung der Funde: Maria Theresia Starzmann, Verena Schwarz

Fundfotografie: Jessica Meyer

Zeichnungen: Beatrix Nordheim

Studierende der Freien Universität Berlin

Restaurierungsarbeiten:

Dirk Voigtländer: Stromlinie.eu

Dietmar Linke: Restaurierungsatelier Linke

Moslem Mishmastnehi

Projektförderung:

Landesdenkmalamt Berlin, Karin Wagner

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Manfred Kühne

Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, Svend Hansen

Dank an:

Karl Heinz Willnecker

Frank Sadina

Helge Weiser

Michael Meyer

für ihre Unterstützung

Grabungsarbeiten an Fundamenten eines Gebäudes am Alten Flughafen
Reste eines Splitterschutzgrabens
Grabungsarbeiten an einer mehrphasig verfüllten Abfallgrube